Menschen in einer Reihe halten sich die Hände

6 Forderungen für die Pflege der Zukunft

Nicht erst durch die Corona-Pandemie ist eine Diskussion um die aktuelle Lage der Pflege in Deutschland entbrannt. Für viele Pflegekräfte ist klar: So wie jetzt kann es mit der Pflege in Zukunft nicht weitergehen, wenn es in Deutschland ein stabiles Gesundheitssystem geben soll. Doch wie kann die Pflege zukunftsfähig gemacht werden? Wir haben die Forderungen der Pflege gesammelt und für euch zusammengefasst.

1. Entlastung der Pflegeberufe

Die Pflege heute hat vor allem ein großes Problem: Pflegefachkräfte arbeiten zu häufig unter schlechten Arbeitsbedingungen. Sie haben zu viel zu tun, zu wenig Zeit für Patienten, sind überlastet. 

Bessere Arbeitsbedingungen

Um die Pflege zukunftsfähig zu machen, müssen deshalb bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Der Stress im Alltag und der Druck auf alle in der Pflege Arbeitenden muss reduziert werden. Doch wie kann das klappen? 

Durch ein sinnvolles Konzept für Personalschlüssel sollen Pflegefachkräfte wieder mehr Zeit für die einzelnen Patienten gewinnen – es darf nicht sein, dass die Zeit nicht ausreicht, um die Arbeit so zu erledigen, wie es ihnen in ihrer Ausbildung beigebracht wurde. Die Forderung: Der Personalschlüssel muss bundesweit erhöht werden.

Doch ein Problem besteht dann weiterhin – schließlich muss den Arbeitgebern natürlich auch gelingen, die zusätzlichen Stellen besetzen zu können. Dazu braucht es zum einen mehr Budget für Krankenhäuser und Einrichtungen, zum anderen müssen Pflegeberufe insgesamt attraktiver werden. 

Verlässliche Arbeitszeiten

Immer wieder müssen Pflegekräften auch an ihren freien Tagen einspringen, was eine zusätzliche Belastung zu den sowieso schon atypischen Arbeitszeiten des Schichtdiensts darstellt. Grund hierfür sind häufig Personalengpässe.

Um diese körperlichen und auch psychischen Belastungen einzugrenzen, müssen sich Pflegekräfte mehr auf ihre Arbeitszeiten verlassen können und auch persönliche Belange in die Schichtplanung mit einbringen dürfen.

Weniger Bürokratie



Die Pflegedokumentation trägt – ohne Frage – in hohem Maße zu einer bedarfsgerechten und sicheren Pflege bei. Durch Ausweitungen der Dokumentation geht der Umfang nun allerdings über das erforderliche Maß hinaus und kostet Pflegekräfte viel Zeit. Zeit, die sie lieber in die direkte Versorgung und Betreuung von Patient:innen investieren würden. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamts wenden Mitarbeiter:innen in der stationären Pflege mehr als eine volle Stunde pro Tag für die Dokumentation und Aktenführung auf. 

Natürlich muss eine Dokumentation weiterhin stattfinden, um trotz Schichtwechseln & Co alle Leistungen detailliert und lückenlos zu dokumentieren und Qualitätsstandards einzuhalten. Neben der Entschlackung der Bürokratie, beispielsweise durch das Strukturmodell, können jedoch auch digitale Lösungen erhebliche Zeitersparnisse bieten. 

2. Aufwertung des Berufsbilds 

Bessere Karrierechancen und höhere Gehälter

Wer sich für eine Ausbildung im Pflegebereich entscheidet, braucht heute auch die Aussicht auf Entwicklungspotentiale – in den letzten Jahren hat ein (zu) großer Teil der Azubis die Ausbildung wieder abgebrochen. 

Ebenso müssen ausgebildete Pflegekräfte die Chance haben, ihre Gehälter während ihres Berufslebens zu steigern und gutes Geld zu verdienen. Das ist heute nur sehr bedingt der Fall: Selbst hoch qualifizierte Pflegekräfte, d.h. Pflegefachkräfte, die bereits fünf bis sieben Jahre Ausbildung oder Studium hinter sich gebracht haben, verdienen netto häufig nicht deutlich mehr als Berufsanfänger. Die Gehälter in der Pflege stehen nach Meinung vieler in keiner Relation mit der hohen Verantwortung, die die Beschäftigten übernehmen. 

Durch eine Anhebung des Gehalts besteht die Chance, dass sich mehr Menschen für einen Pflegeberuf entscheiden – Menschen, die dringend benötigt werden, wenn das Pflegesystem nicht kollabieren soll. So fordert der Pflegerat beispielsweise ein bundesweites Lohnniveau von 4000 Euro.

Mehr Verantwortung

Pflegekräfte sollen künftig mehr Verantwortung bekommen und dazu befähigt werden, Hilfsmittel zu verordnen und eigenständigen Entscheidungen in der häuslichen Pflege treffen zu können.

Schon seit einigen Jahren fordern Expertengruppen, Pflegekräften mehr Verantwortung zu übertragen, um den Beruf attraktiver zu gestalten. Hierzu zählen beispielsweise die Übernahme von ärztlichen Aufgaben bei der Primärversorgung in ländlichen Regionen und bei Interventionen, die pflegerische Expertise erfordern. Durch mehr Verantwortung hoffen die Expert:innen, kann sich das Bild der Pflege professionalisieren und die Attraktivität des Berufsbild steigen.
 

3. Begrenzung der Pflegekosten

Kosten für Pflegeheime reduzieren

Die Kosten für Pflegeheime, die Bewohner:innen tragen müssen, sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Pflegebedürftigen zahlen neben Miete und Verpflegung auch noch für Investitionen zur Heimerneuerung, die Ausbildung für angehende Pflegekräfte und einen Teil der Pflegekosten, da die Pflegeversicherung nicht alles übernimmt. Ein durchschnittlicher Platz in einem Pflegeheim in Deutschland kostet damit etwa 2125 Euro pro Monat. Bei einer durchschnittlichen Rente zwischen 700 € (Frauen im Westen) und 1200€ (Männer im Osten) fällt auf: Das ist viel – zu viel, berücksichtigt man die Tatsache, dass nicht jeder der Deutschen etwas fürs Alter zurückgelegt hat.

Eine Stagnation der Kosten ist derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Eigenanteile sollen in den nächsten Jahren noch weiter steigen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Pflegekräfte künftig besser bezahlt werden, beispielsweise aufgrund eines neuen Tarifvertrags. Denn von wem werden diese Mehrkosten vor allem getragen? Den Heimbewohner:innen. Die Pflegeversicherung übernimmt weiterhin nur einen festgelegten Teil der Kosten. Der Anteil, den die Bewohner und Bewohnerinnen zusätzlich noch tragen müssen, könnten noch einmal 500-600 Euro zusätzlich zum aktuellen Betrag darstellen. 

Höhere Löhne für Pflegekräfte bedingen höhere Kosten für Pflegebedürftige. Ein Teufelskreis, den es zu unterbrechen gilt. Die Forderung der Begrenzung der Kosten für die Pflege geht daher mit der Forderung nach einer gerechten Finanzierung der Pflege einher. 

Wohnen zu Hause im Alter bezahlbar machen

Die meisten Menschen nehmen erst einen Platz im Pflegeheim in Anspruch, wenn sie nicht mehr in ihren eigenen vier Wänden leben können. Um diesen Zeitpunkt herauszuzögern oder ganz zu vermeiden, muss der Bund mehr Mittel für den altersgerechten Umbau von Wohnungen zur Verfügung stellen. Auch eine Bereitstellung von technischen Assistenzsystemen von Krankenkassen ist möglich, um Pflegebedürftige im Alltag zu unterstützen. 

4. Mehr Unterstützung für pflegende Angehörige

Monetäre Unterstützung für Pflegende

Laut des statistischen Bundesamts werden mehr als 50% aller Pflegebedürftigen Menschen in Deutschland durch Angehörige, wie beispielsweise Kinder, Geschwister oder Ehepartner versorgt. Zur Pflege in Deutschland leisten also nicht nur ausgebildete Fachkräfte ihren Beitrag, sondern auch zahlreiche pflegende Angehörige, die damit stark psychisch und physisch belastet werden. Doch wie auch für Pflegefachkräfte fällt die Wertschätzung für diese enorme Gruppe an Menschen (nach Schätzungen ca 5 Millionen) gering aus. Und das, obwohl diese Menschen häufig im Beruf zurückstecken müssen und damit ein höheres Armutsrisiko im Alter in Kauf nehmen.

Zwar zahlt die Pflegeversicherung in bestimmten Fällen Rentenbeiträge für pflegende Familienmitglieder – doch damit werden längst nicht alle Kosten abgedeckt. Und selbst wenn die Pflegeversicherung zahlt: die Rentenansprüche sind relativ gering, sodass ein durchschnittlich entlohnter versicherungspflichtiger Job sogar mehr für die Rente einbringt. 

Die Umstände machen offensichtlich, dass die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf erleichtert werden muss – beispielsweise durch die Erhöhung des Pflegeunterstützungsgeldes oder einen Lohnersatz, wie man ihn auch vom Elterngeld kennt.

Zudem sollte nach Meinung vieler der Rückgriff auf Kinder eingeschränkt werden. Verdienen Kinder der Pflegebedürftigen unter 100.000 Euro pro Jahr, sollte auf Unterhaltsansprüche verzichtet werden. 

Flexible Pflegeangebote

Durch die Corona Pandemie wurde sichtbar, dass eine rasche Unterstützung im Krankheits- oder Quarantänefall notwendig sein kann. Doch besonders im ländlichen Gegenden sind flexible Pflegeangebote, wie Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege oft rar. Der Ausbau für diese Angebote muss ausgebaut und durch eine angemessene Bezahlung attraktiv gestaltet werden.
 

5. Umbau des Gesundheitssystems

Fokus auf Prävention

Ein wichtiges Schlagwort im Zusammenhang mit dem Umbau des deutschen Gesundheitssystems lautet: Prävention. Das Zusammenbrechen unseres Gesundheitssystems kann nur aufgehalten werden, wenn die Bevölkerung gesünder wird. Mehr als 50% der Deutschen leiden an einer chronischen Krankheit. Diabetes, Bluthochdruck, Multiple Sklerose, Rheuma und Depressionen sind die Krankheiten unserer Zeit. Eine Pflegebedürftigkeit dieser Personen kann nur verhindert werden, wenn jeder Betroffene mitarbeitet – mit Unterstützung von Fachkräften versteht sich.

Gefordert wird eine stärkere Vernetzung und berufsübergreifende Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe und eine sektorenübergreifende Versorgung. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine neue Forderung – doch jetzt wird es Zeit, sie auch anzugehen.

Abkehr vom Profitdenken

Aktuell werden in Deutschland viele Patient:innen übertherapiert, andere im Gegenzug unterversorgt. Aus rein ökonomischen Gründen. Die Forderung nach einer Abschaffung des auf Profit ausgerichteten Krankenhaus-Abrechnungssystems wird laut. 

Pflegebedürftige und Kranke, die dringend auf eine medizinische Versorgung angewiesen sind, dürfen nicht länger als Verlustgeschäft gelten. Gewinne aus dem Gesundheitssektor dürfen nicht mehr bei Großkonzernen oder Aktionären landen, sondern sollen dafür eingesetzt werden, das Gesundheitssystem zu refinanzieren. 

6. Pflege an politischen Entscheidungen beteiligen

Wie unsere Pflege in Zukunft aussieht und wie wir selbst später gepflegt werden, das verhandeln in der Politik momentan kleine Interessengruppen: Krankenhäuser, Krankenkassen und Ärzteverbände treffen sich in politischen Gremien wie dem Gemeinsamen Bundesausschluss (G-BA). Die Pflege ist in vielen politischen Krisenstäben sowie Beratungsgremien aktuell nicht beteiligt bzw. vertreten.

Pflegekräfte müssen sich mehr organisieren, um politischen Einfluss erreichen zu können. Um eine starke Selbstverwaltung der Pflegeberufe zu schaffen, müssten in allen Bundesländern Pflegekammern eingerichtet werden und auf Bundesebene eine Bundespflegekammer gefördert werden. Eine gute Versorgung in der Pflege kann nur erreicht werden, wenn die in der Pflege Arbeitenden in politische Entscheidungen einbezogen werden. Der Beitrag für eine Pflegekammer ist ein geringer Beitrag für eine wirklich große Veränderung im Gesundheitssystem.  

 

Diese Forderungen zeigen, dass sich in der Pflege einiges tun muss. Doch wenn wir passende Lösungen und Maßnahmen für diese Forderungen finden und ergreifen, dann wird die Pflege in der Zukunft besser aufgestellt sein. 
 

Lösungsansätze und Maßnahmen

Jetzt ist der beste Zeitpunkt, um Lösungen für diese Forderungen zu finden. Die gute Nachricht: Es gibt schon heute zahlreiche Maßnahmen und Lösungsansätze, die zur Verbesserung der Pflege in Deutschland beitragen. Erfahre mehr darüber:

 

Das Ansehen der Pflege verbessern

Wie kann das Ansehen der Pflege verbessert und das Berufsfeld weiterentwickelt werden?

→ Erfahre, wie das Bild der Pflege verbessert werden kann

 
Die Pflege digitalisieren

Wie können Pflegekräfte und Pflegebedürftige von der Digitalisierung profitieren?

→ Erfahre, wie Digitalisierung Pflege verbessert

 

 

Eine angemessene Personalausstattung schaffen

Wie kann die Zahl der Pflegekräfte in Deutschland erhöht werden?

→ Erfahre, wie eine bessere Personalausstattung gelingt

 
Bessere Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen schaffen

Welche Möglichkeiten gibt es, um Gehalt und Arbeitsbedingungen zu verbessern?

→ Erfahre, wie die Bedingungen verbessert werden

 
Neue Wege gehen: Innovative Versorgungskonzepte

Wie können neue Pflegekonzepte die Situation für Pflegekräfte und Pflegebedürftige verbessern?

→ Lerne die Möglichkeiten für Arbeitgeber kennen

 
Transparenz über gute Arbeitsbedingungen schaffen

Wie schaffen es Arbeitgeber, sich besser nach außen darzustellen?

→ Das sind mögliche Maßnahmen