Eine Pflegerin isst gemeinsam mit einem alten Mann.

Verfasst von Jillian Ainslie|Veröffentlicht am 21.03.2022

Aktivierende Pflege: Hilfe zur Selbsthilfe

Wie lässt sich Selbstständigkeit durch aktivierende Pflege fördern?

Aktivierende Pflege wird häufig als Hilfe zur Selbsthilfe bezeichnet. Mit diesem Pflegestil kannst du als Pflegekraft die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung pflegebedürftiger Personen fördern. Im Gegensatz zu einer "Rundum-Betreuung" übernimmst du nicht die kompletten Aufgaben der Pflege, sondern stehst der/dem Pflegebedürftige:n helfend zur Seite. In diesem Artikel erfährst du, welche Vorteile dieser Pflegestil im Vergleich zur versorgenden Grundpflege hat. Außerdem erhältst du praktische Tipps, wie du die therapeutisch aktivierende Pflege in deinen Berufsalltag einbauen kannst. 

Bedeutung der aktivierenden Pflege

Bei der versorgenden Grundpflege geht es primär um die Befriedigung der Grundbedürfnisse des oder der Pflegebedürftigen. Du nimmst dem Patienten alle Aufgaben ab und er nimmt eine passive Rolle ein. Bei der aktivierenden Pflege hingegen, motivierst du den Pflegebedürftigen oder die Pflegebedürftige dazu, möglichst aktiv an seiner oder ihrer Pflege mitzuwirken – natürlich nur, soweit es möglich ist. Das Ziel der aktivierenden Pflege ist es, die vorhandenen körperlichen, geistigen, sozialen, sowie emotionalen Fähigkeiten zu erhalten und zu reaktivieren. Dadurch förderst du ein möglichst selbstbestimmtes Leben der Pflegebedürftigen und steigerst somit die Lebensqualität. Übrigens ist der Anspruch auf eine aktivierende Pflege auch gesetzlich festgelegt. Laut § 11 Abs. 1 SGB XI des Sozialgesetzbuchs sind Pflegeeinrichtungen verpflichtet "eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten".

Auswahl an aktivierenden Maßnahmen

Aktivierende Maßnahmen kannst du auf körperlicher, geistiger, sinnlicher und alltagspraktischer Ebene umsetzen. Aktivierende Maßnahmen können je nach individueller Situation von leichter Unterstützung und Anleitung bei Aufgaben bis hin zu Intensivpflegemaßnahmen mit aktivierenden Impulsen reichen. Hier findest du ein paar Beispiele von aktivierenden Maßnahmen, die du in die Betreuung einbauen kannst:

  • Körperpflege: Der Pflegebedürftige übernimmt das Zähneputzen, Eincremen und Haare kämmen, während du nur die Handreichungen übernimmst, zu denen der Pflegebedürftige selbst nicht fähig ist. 
  • Inkontinenz: Du sprichst direkt mit dem oder der Pflegebedürftigen über seine Inkontinenz. Gemeinsam erarbeitet ihr Lösungen. 
  • Duschen: Du motivierst den/die Pflegebedürftige:n zum selbstständigen Waschen, stellst die benötigten Hilfsmittel bereit und erklärst deren Benutzung. Du stützt ihn/sie körperlich oder führst seine/ihre Hand leicht. Du reinigst die schwer zu erreichenden Körperteile. Der Umgang mit Wasser und Seife regt den Tastsinn an und vermittelt so ein besseres Gefühl für den eigenen Körper. 
  • Schlafen: Du lässt den/die Pflegebedürftige:n selbst über Bettbezug, Kissen und Decke entscheiden. Du lässt ihn/sie aufstehen, wann er oder sie es möchte.
  • Ankleiden: Pflegebedürftige treffen die Kleiderwahl selbst und sollen sich so gut wie möglich selbst anziehen. Du unterstützt, wo es nötig ist, beispielsweise beim Anziehen der Schuhe. Hierbei ist es irrelevant, ob die Kombination der Kleidung zusammenpasst. Im Vordergrund steht die Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen.
  • Toilettennutzung: Bei der Toilettennutzung hilfst du den Pflegebedürftigen durch körperliches Stützen beim Aufstehen oder Hinsetzen. 
  • Mahlzeiten und Trinken: Anstatt die Patienten vollständig zu füttern, führst du lediglich ihre Hand. Alternativ können die Pflegebedürftigen Hilfsmittel nutzen, wie beispielsweise gewinkeltes Besteck, Schnabeltasse oder Tellerranderhöhungen. So kann der/die Pflegebedürftige das Tempo beim Essen selbst bestimmen und so die Mahlzeit besser genießen.

Planung und Umsetzung der aktivierenden Maßnahmen

Den Bedarf der aktivierenden Pflege musst du individuell auf jeden Menschen mit seinen eigenen Voraussetzungen abstimmen. Dabei musst du vor allem Risikofaktoren, wie beispielsweise eine erhöhte Sturzgefahr, berücksichtigen. Folgendes solltest du bei der Planung und Umsetzung von aktivierenden Maßnahmen beachten:

a) Erfassung der individuellen Situation

Die individuelle und genaue Planung ist die unbedingte Basis bei der aktivierenden Pflege. Zunächst solltest du die individuelle Lage mithilfe folgender Fragen erfassen:

  • Welche Aufgaben möchte und kann der/die Pflegebedürftige noch selbst übernehmen?

Eine wichtige Voraussetzung für die aktivierende Pflege ist, dass die Patienten oder Patientinnen in der Lage sind, deine Erklärungen und Anweisungen zu verstehen und umzusetzen. Aktivierende Pflege kannst du nur im direkten Dialog mit dem/der Pflegebedürftigen umsetzen. Dabei solltest du außerdem die individuellen Wünsche und Ziele des/der Pflegebedürftigen nicht außer Acht lassen.

  • Bei welchen Aufgaben sind Anleitung, Beaufsichtigung oder Eingreifen meinerseits nötig?
  • Was muss ich vorbereiten, damit die aktivierende Pflege bestmöglich funktioniert? 

b) Auswahl der aktivierenden Maßnahmen

Nachdem du dir ein Bild von der individuellen Situation gemacht hast, kannst du dir konkret überlegen, welche aktivierenden Maßnahmen Sinn machen. Außerdem kannst du dir Gedanken darüber machen, welche Hilfsmittel unterstützend wirken könnten. Folgend eine Auswahl an Hilfsmitteln, die häufig in der aktivierenden Pflege verwendet werden:

  • Vorsorge im Bad: Halterungen, Griffe in Dusche, Wanne oder der Toilette
  • Hilfe beim Essen und Trinken: Gewinkeltes Besteck, Schnabeltasse oder Tellerranderhöhungen
  • Hilfe zum Anziehen: Anziehhaken, Knöpfhilfe, Strumpfanzieher
  • Bewegung: Gehhilfen wie Gehstöcke oder Rollatoren

 c) Durchführung der aktivierenden Maßnahmen

Bei der Durchführung der aktivierenden Maßnahmen solltest du nur im Notfall eingreifen und die Pflegebedürftigen in ihrer Selbstständigkeit bestärken. Eine große Herausforderung ist es, die Pflegebedürftigen weder zu über- noch zu unterfordern. Deswegen ist es wichtig, dass du konzentriert arbeitest und kontinuierlich im Dialog mit den Pflegebedürftigen stehst. Zu keinem Zeitpunkt solltest du die Person bevormunden oder zu etwas zwingen. Aktivierende Pflege verlangt von dir ein hohes Maß an Geduld, fachlicher Kompetenz und Empathie. Außerdem ist ein gegenseitiges Vertrauen eine wichtige Voraussetzung für eine effektive aktivierende Pflege. 

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Aktivierende Pflege für mehr Lebensqualität

Die aktivierende Pflege steht im Kontrast zur versorgenden Grundpflege. Kurzfristig ist die Grundpflege für dich mit weniger Energie und Zeitaufwand verbunden. Zudem bietet sie zunächst eine erhebliche Erleichterung für den/die Pflegebedürftige:n. Es gibt jedoch auch ein Problem an der Grundpflege: Der oder die Pflegebedürftige wird schnell von deiner Hilfe abhängig, weshalb dein Pflegeaufwand mit der Zeit ansteigt.

Aus diesem Grund ist die aktivierende Pflege meist die bessere Wahl. Im Gegensatz zur versorgenden Grundpflege, kann durch die aktivierende Pflege der Pflegeaufwand der Pflegebedürftigen mittel- und langfristig erheblich sinken, da verloren gegangene Fähigkeiten wieder erlangt werden. Oftmals ist das Selbstbewusstsein von Pflegebedürftigen durch ihre körperlichen und geistigen Einschränkungen beeinträchtigt. Durch eine selbstbestimmte Teilnahme am Alltag, kann durch die aktivierende Pflege ein gestärktes Selbstwertgefühl und mehr Lebensqualität erzielt werden. Bringst du einem Pflegebedürftigem durch Anleitung bei, sich selbstständig zu waschen, gewinnt er einen wichtigen Teil seiner Intimsphäre zurück. Oftmals kann ein gestärktes Selbstbewusstsein dazu beitragen, dass der Pflegebedürftige sich nicht isoliert, sondern sich auch motivieren kann, soziale Kontakte zu pflegen, was sich wiederum positiv auf die mentale Gesundheit auswirkt. 

Positive Auswirkung der aktivierenden Pflege auf die Gesundheit

Abschließend wirkt sich aktivierende Pflege positiv auf die Gesundheit der Pflegebedürftigen aus. Durch gezielte Beratung, Anleitung und Unterstützung kannst du Fein- und Grobmotorik verbessern, den Gang stabilisieren, sowie die Pflegebedürftigen ihre eigenen Körper spüren lassen. Es ist nachgewiesen, dass fehlende Selbstbestimmtheit und Beschäftigungsmangel das Risiko für körperliche und geistige Erkrankungen erhöhen. Mit der aktivierenden Pflege kannst du typische Altersbeschwerden wie Demenz oder Gebrechlichkeit hinauszögern oder verlangsamen.

In diesem Artikel hast du erfahren, welche Vorteile der Pflegestil der aktivierenden Pflege im Vergleich zur versorgenden Grundfolge hat. Pflegebedürftige Menschen haben Anspruch auf eine aktivierende Pflege – jedoch solltest du nicht vergessen, dass sie diese auch ablehnen dürfen. Am Ende des Tages darf jede:r Patient:in selbst über seine/ihre eigene Pflege bestimmen, auch wenn das gesundheitliche Risiken mit sich bringt.