Das Verhältnis zwischen Pfleger und Pflegebedürftigem ist immer auch ein Vertrauensverhältnis. Denn nur in wenigen Fällen ist die Macht über den jeweils anderen gerecht verteilt. In der Regel ist der Pfleger oder die Pflegerin diejenige, die dem Patienten oder Bewohner körperlich überlegen ist. Sie sind je nach Pflegefall jünger, unversehrter und auch geistig fitter. Hinzu kommt die Autorität, über die Pflegekräfte verfügen. Sie verwalten die Medikamente, haben im Zweifelsfall das Sagen und können die Gesundheit des Pflegenden aktiv entweder zum Besseren oder zum Schlechteren wenden. Diese Konstellation führt dazu, dass es im Pflegealltag immer wieder zu Gewaltanwendungen kommt.
Wie kann Gewalt gegen Pflegebedürftige aussehen?
Wer an Gewalt denkt, der hat zunächst einmal erhobene Fäuste, Blut und gebrochene Knochen vor Augen. Und tatsächlich kann körperliche Gewalt auch in der Pflege ein Thema sein. Darüber hinaus existieren jedoch noch viele Formen von Gewalt, die weit weniger sichtbar sind – aber nicht weniger verletzend. Dazu gehören zum Beispiel:
- Die Vernachlässigung von Pflegebedürftigen Personen und Patienten, etwa durch Vorenthalten von Mahlzeiten oder der Körperpflege
- Die Entwendung von Hilfsmitteln wie dem Rollstuhl, Rollator oder Krücken
- Die Gefährdung der Gesundheit zum Beispiel durch Vorenthalten von Medikamenten, falscher Medikamentengabe oder das Ignorieren von Schmerzen oder Krankheitssymptomen
- Das Verletzen durch Worte, abfällige Bemerkungen, Beleidigungen oder fehlende Wertschätzung, Anschreien
- Sexuelle Übergriffe oder Belästigung
- Verletzung der Privatsphäre, zum Beispiel durch das Durchsuchen von persönlichen Gegenständen
- Erpressung, Diebstahl oder finanzieller Betrug
Daneben gibt es noch zahlreiche andere Arten, in der sich Aggressionen gegen Pflegebedürftige äußern – es beginnt bei der Missachtung religiöser Vorschriften und geht hin bis zur völligen Kontrolle der Sozialkontakte und des Tagesablaufs der Person. Dabei sollte beachtet werden, dass eine Art der Gewalt nicht zwingend weniger schlimm ist als eine andere. Dies wird von jedem Menschen individuell wahrgenommen. Während für den einen zum Beispiel die Wahrung der Privatsphäre das höchste Gut ist, leidet der andere am meisten unter der Vernachlässigung seiner Körperhygiene.