Eine Hand hält Stift, Notizblock und 2 Mikrofone

Veröffentlicht am 10.03.2022

"Ich liebe die Situationen, in denen nicht alles nach Lehrbuch funktioniert"

Pflege Influencerin "x3franzii" im Interview mit MediRocket

Franziska arbeitet als Operationstechnische Assistentin, kurz OTA. Auf ihrem Instagram Profil @x3franzii nimmt sie ihre Follower:innen mit in ihren Alltag im OP und gibt Einblicke in ihren Aufgabenbereich. Auch wichtige Themen wie beispielsweise der Fachkräftemangel, den sie auch im OP merkt, kommen nicht zu kurz – Franzi ist es wichtig, sowohl die positiven als auch negativen Seiten der Pflege zu beleuchten. In unserem MediRocket Interview verrät sie uns, warum sie sich für den Beruf als OTA entschieden hat, wie sich ihr Job mit ihrer Familie vereinbaren lässt und wie sie auch in schwierigen Situationen ihren Humor behält.

x3franzii im Interview mit MediRocket

 

Du betreibst deinen Blog und Instagram Kanal nun schon eine ganze Weile – mittlerweile hast du sogar deinen eigenen Shop für Alltagshelfer für den OP. Wann hast du mit alldem gestartet und warum?

Gestartet habe ich tatsächlich schon vor einigen Jahren. Für meine Ausbildung bin ich damals einige hundert Kilometer von zuhause weggezogen. Dadurch brauchte ich auch ein neues Hobby, welches ich anfangs durch das Drehen und Bearbeiten von YouTube Videos gefunden habe. Irgendwann hatte ich dann erzählt warum es länger keine Videos gab und habe in diesem Zusammenhang meine Ausbildung zur OTA erwähnt. Dadurch kamen einige Fragen auf und letztlich habe ich mich dazu entschlossen davon zu erzählen, wofür mein Herz wirklich schlägt. Nämlich meinen Beruf. Und so kam es dann, dass ich auf all meinen Profilen (ab 2016 jeweils auf YouTube und meinem Blog und seit Dezember 2018 auch auf Instagram) den Fokus darauf gesetzt habe.

Franziska, auf Instagram bekannt als "x3franzii"
Franziska, auf Instagram bekannt als "x3franzii"

Was möchtest du mit deinem Blog/Instagram Kanal erreichen?


Ich möchte aufklären und zeigen wie schön und vielfältig der Beruf ist. Mit all seinen schönen und weniger schönen Seiten. Tatsächlich gibt es den Beruf Operationstechnische Assistenz schon seit 30 Jahren. Aber vielerorts kennt man diesen trotzdem noch nicht. Der OP ist einfach ein ganz besonderer Ort und über die Arbeit des Personals hört und liest man leider recht wenig. 
 
Mit meinem Account möchte ich natürlich auch Nachwuchs akquirieren und für die Ausbildung begeistern. So authentisch und ehrlich wie es nur geht. Denn auch das hört und liest man nicht: der Pflegenotstand herrscht auch im OP. Daher ist es mir auch ein großes Anliegen ein offenes Ohr bei allen Fragen zu bieten und so auch aus der Ferne helfen zu können. Quasi als eine Art „Online-Praxisanleiter“.
 
Und eben deshalb habe ich nach langen Überzeugungsversuchen meines Mannes im vergangenen Jahr auch einen Shop mit nützlichen Helfern für OTA und ATA Auszubildende eröffnet. Weil ich solche Sachen selbst in meiner Ausbildung vermisst habe. Denn durch das Notizbuch wäre mir beispielsweise einiges an doppelter Arbeit erspart geblieben. Die Idee kam mir also auch schon sehr früh. Ich hatte damals aber nicht gedacht, dass es auch anderen so gehen könnte und hätte auch nicht gewusst wie ich meine Idee umsetzen könnte.


Die Arbeit im OP ist sicherlich nicht für jeden was. Warum hast du dich ausgerechnet für diesen Beruf entschieden?


Auch wenn es sich nach einer Standard-Antwort anhört: mich hat die Medizin schon immer interessiert. Besonders die Anatomie und der Prozess wie man gewisse Erkrankungen mechanisch behandelt. Teilweise fühlt man sich als wäre man im Baumarkt. Ein Organ direkt anfassen zu können, lediglich durch die Handschuhe getrennt ist einfach unbeschreiblich und irgendwie ist die ganze Atmosphäre im OP für mich einfach magisch.

 

Was liebst du am meisten an deinem Beruf?


Die Tatsache, dass die Medizin sich immer weiter entwickelt lässt den Beruf nicht langweilig werden. Tatsächlich liebe ich am meisten die Ausnahmesituationen, wenn etwas einfach nicht nach Lehrbuch funktioniert und man wie MacGyver eine Lösung findet mit dem was einem zur Verfügung steht.

 

Du hast auch schon Erfahrungen in anderen Bereichen der Pflege gesammelt. Was unterscheidet den Alltag im OP von dem auf Station? 


Im OP herrscht eher eine Anonymität dem Patienten gegenüber. An OTAs und OP-Pflegekräfte erinnern sich Patienten für gewöhnlich nicht. Und wir sehen den Patienten in der Regel auch nur für die OP, vielleicht auch mal öfter wenn mehrere Eingriffe nötig sind.

Dadurch ist es eher möglich die persönliche Distanz zu wahren, weil man einfach nicht so sehr die Möglichkeit hat eine Beziehung zum Patienten aufzubauen. Auf der Station sieht dies ganz anders aus.

Daher ist es für mich zusätzlich auch eine Art Selbstschutz. Denn wenn ich täglich mit den Schicksalsschlägen meiner Patienten immer wieder konfrontiert werden würde, könnte ich bestimmt nicht so einfach abschalten. Sie würden etwas mit mir machen. 

Die Pflegekräfte auf den Stationen haben deshalb meinen großen Respekt für die Arbeit die sie dort leisten. Ich weiß wirklich nicht ob ich das könnte.

Tatsächlich liebe ich am meisten die Ausnahmesituationen, wenn etwas einfach nicht nach Lehrbuch funktioniert und man wie MacGyver eine Lösung findet mit dem was einem zur Verfügung steht.

Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Voraussetzungen, die man als OTA mitbringen sollte? 


An erster Stelle steht ganz klar das Vermögen Blut sehen zu können. Denn das ist nun mal unser tägliches Brot, auch wenn man versucht möglichst blutarm zu arbeiten.

Dann ist Teamfähigkeit ganz wichtig. Ohne die Kollegen geht gar nichts. Sei es aus der eigenen Berufsgruppe oder aus anderen. Von den Chirurgen über die Kollegen der Anästhesie bis hin zu den Reinigungs- und Aushilfskräften. Vom Chefarzt bis zum Auszubildenden. Man hat ein gemeinsames Ziel und muss an einem Strang ziehen.
Flexibilität ist ebenfalls wichtig, denn häufig kommt es ganz anders als geplant. Sei es das OP-Verfahren, welches sich plötzlich ändert, der OP-Plan an sich und natürlich auch die Arbeitszeiten. Man muss spontan auch mal Dienste tauschen oder übernehmen können.


Seit kurzem bist du nicht mehr nur “Hunde-Mama” – du hast selbst Nachwuchs bekommen. Wie ließ sich deine Schwangerschaft mit deinem Job vereinen? Konntest du weiterhin ganz “normal” weiterarbeiten? 


Wie der Zufall es wollte bin ich im vergangenen Sommer 2021 ebenfalls Mama eines – wie der Volksmund behaupten würde – Corona-Babys geworden. Durch die Ausnahmesituation mit der Pandemie bin ich ca. einen Monat nach Bekanntgabe meiner Schwangerschaft ins Beschäftigungsverbot gekommen. Zuvor habe ich unter gewissen Auflagen hinsichtlich des Mutterschutzes noch ganz normal weiter arbeiten dürfen. Das heißt ich durfte nur bei Operationen dabei sein, die mit einer Lokalanästhesie (Betäubung wird in die Region des OP Gebietes injiziert) oder mit einer Gas freien Narkose (TIVA = totale intravenöse Anästhesie) gemacht werden konnten. Dienste durfte ich keine mehr machen und leider auch nicht mehr in der sterilen Assistenz tätig sein. Schwer heben (über 5kg) ist ebenfalls nicht gestattet, aber wir wissen ja dass Theorie und Praxis sich gerne mal unterscheiden können.

Jedoch ist es von Klinik zu Klinik unterschiedlich. Leider gibt es noch keine offizielle einheitliche Regelung hinsichtlich einer Schwangerschaft im OP. Letztlich muss jede werdende Mutter es auch für sich selbst entscheiden und immer offen kommunizieren was sie machen möchte und was nicht.



Schwanger in der Pflege?

→ Mehr Infos zum Thema findest du hier.

Hast du schon Pläne für deinen Wiedereinstieg? Wird es für dich schwierig sein, wieder als OTA zu arbeiten?

 
Pläne habe ich tatsächlich schon einige. Ob die so aufgehen ist eine andere Frage. Ich möchte zumindest versuchen, zunächst weiterhin Vollzeit arbeiten zu gehen. Denn Teilzeit im Sinne von „ich fang um 8:00 Uhr an zu arbeiten und gehe um 13 Uhr nach Hause“ ist leider kaum realisierbar. In meiner Klinik ist es so, dass man ganze Tage frei bekommt als Teilzeitkraft oder vielleicht 2 Stunden früher Feierabend hat.

Mein Plan ist jedoch überwiegend Bereitschaftsdienste zu machen, denn so kann ich später mit der Arbeit anfangen und habe den Folgetag komplett frei. Da ich sehr viele Kollegen habe die Eltern sind, weiß ich dass es sehr gut geht. Wie bei allem ist es eine Frage der richtigen Organisation – und mein Kind hat ja auch noch einen Papa, der es ebenso gut versorgen kann wie ich.
 
Hund, Kind, Arbeit, Freizeit – Wie bekommst du alles unter einen Hut? 


Wie eben bereits erwähnt: Organisation ist das A und O. Übrigens auch auf der Arbeit, wenn man sein Zeitmanagement optimal ausnutzt und sich Wege sparen möchte.

Mein Mann ist eine große Stütze und natürlich auch eine große Hilfe. Aber seien wir mal realistisch. Perfekt unter einen Hut bekomme ich das alles nicht. Ich habe das Glück, dass mein Hund sehr genügsam und auch mit weniger Action zufrieden ist. Spaziergänge kann ich glücklicherweise mit Hund und Kind immer kombinieren. So lernt es nämlich direkt, dass man bei Wind und Wetter an die frische Luft gehen kann. Wenngleich unser Hund bei der aktuellen Wetterlage lieber eine Katzentoilette hätte und den ganzen Tag verschlafen würde.

Aber oftmals liege ich abends im Bett, ärgere mich, was ich alles am Tag nicht geschafft habe. Meine To-Do-Liste ist sehr lang und meine Ansprüche an mich selbst sind sehr hoch. Zu akzeptieren, dass ich mit Kind nicht mehr so viel am Tag erledigen kann wie früher, fällt mir sehr schwer.

 

Dir ist Spaß an der Arbeit sehr wichtig. Wie schaffst du es, bei einem so “ernsten” Alltag, den Humor nicht zu verlieren und deine gute Laune zu behalten? 


Gute Frage! Es ist natürlich immer abhängig von der Situation und auch von den Kollegen. Bei Eingriffen, die wirklich absolute Ruhe und vollste Konzentration benötigen, muss man ernst bleiben. Aber zwischendurch ist es wichtig auch mal gemeinsam lachen zu können. Das ergibt sich meistens aus Situationen, die zuvor geschehen sind. Sei es ein Versprecher oder eine komische Bewegung. Wenn man auf einer Welle mit seinen Kollegen ist, dann kommt die gute Stimmung von ganz alleine!

Tatsächlich habe ich das Glück, dass wir uns in meiner Klinik auch sehr gut mit allen Kollegen verstehen. So hat man beispielsweise vor der Pandemie gemeinsame Feiern mit ärztlichem und pflegerischem Personal geplant. Allerdings läuft es nicht überall so gut, was ich persönlich sehr schade finde. Denn wenn man das Ganze mal genauer betrachtet, verbringt man sein halbes Leben auf der Arbeit und da sollte das Verhältnis zumindest zum Großteil seiner Kollegen gut sein.


Auf deinem Instagram Kanal sprichst du darüber, dass du Menschen dazu bewegen möchtest, sich für Berufe in der Pflege (oder im speziellen für den Beruf OTA) zu entscheiden. Was muss deiner Meinung nach noch getan werden, damit mehr Menschen einen Beruf in der Pflege ergreifen – und mit dieser Entscheidung auch glücklich werden?


Man hört und liest es immer wieder. Die Berufe müssen einfach attraktiver werden. Das heißt nicht nur die Bezahlung muss angepasst werden. Es ist durchaus nicht gerade wenig, besonders wenn man bedenkt wie viel man bereits in der Ausbildung verdient im Vergleich zu anderen Ausbildungen. Aber im Verhältnis zu der Verantwortung, die man trägt ist es meines Erachtens einfach noch zu wenig.

Auch ist die Bezahlung der Dienste einfach nicht wertschätzend genug. Dafür dass man so viel Zeit und Verantwortung aufbringt.

Was aber viel wichtiger ist, sind die Arbeitsbedingungen. Es kann einfach nicht sein, dass man an drei von vier Wochenenden arbeitet. Und wenn es auch nur Rufbereitschaft ist, so kann man trotzdem nicht entspannen und beispielsweise abends gemütlich ein Gläschen Wein trinken. Auch kann es nicht sein, dass man unzählige Überstunden macht, weil es einfach nicht möglich ist, pünktlich Feierabend zu machen. Man arbeitet mittlerweile nahezu an jedem Feiertag, weil einfach das Personal fehlt, um die Feiertage untereinander aufzuteilen. Das alles macht die pflegerischen Berufe leider äußerst unattraktiv.

Wie kann die Pflege der Zukunft aussehen?

Wir werfen einen Blick auf den aktuellen Stand der Pflege in Deutschland und wagen einen Blick in die Zukunft. Wie lauten die Forderungen der Pflegenden und wie kann man ihnen begegnen?

Und: Warum ist und bleibt die Pflege ein Beruf mit Zukunft? 

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Es muss sich besonders hinsichtlich der Wertschätzung und Anerkennung etwas verändern. Vor zwei Jahren hat man noch für die Pflegekräfte geklatscht. Einige haben die Chance genutzt und noch intensiver auf die Situation in der Pflege aufmerksam gemacht, sodass sich sogar die großen Medien mit dieser Thematik befasst haben. Es gab Fernsehbeiträge, Zeitungsartikel und Petitionen, nach denen für kurze Zeit die Pflege etwas in den Vordergrund gerückt ist. Aber eine spürbare Veränderung im Hinblick auf Wertschätzung und Anerkennung fehlt bisher. Tatsächlich wird es teilweise nur noch schlimmer, da die Pandemie weiterhin auf dem Rücken der Pflegekräfte ausgetragen wird – wie es beispielsweise mit der Impfpflicht der Fall ist. Ich bin kein Impfgegner, ganz im Gegenteil. Aber es kann trotzdem nicht sein, dass dies auf eine einzige Berufsgruppe und zwar jene, die sowieso schon sehr belastet sind, angewandt wird.

Bei der aktuellen Darstellung der Pflege, braucht man sich wirklich nicht zu wundern, dass Nachwuchskräfte fehlen. Es ist vieles negativ und man muss auf diese Missstände hinweisen. Aber man darf nicht vergessen wie ein dauerhaftes Gemecker auf potentielle Auszubildende wirkt. Wer möchte schon etwas erlernen, worüber man kaum positive Berichte zu findet? Das muss sich nämlich auch dringend verändern und daher versuche ich auf meinem Account auch viele positive Aspekte aus meinem Beruf zu teilen. Denn beides ist wichtig: die guten und schlechten Seiten eines Berufes aufzeigen, um ihn so authentisch wie es nur geht zu bewerben.

 

Du zeigst auf, dass es in der Pflege großes Verbesserungspotential gibt. Dennoch konnten wir auch heraushören, dass du für deinen Beruf brennst und große Freunde an der Arbeit als OTA hast. Wir sind uns sicher, dass das auch auf deine Follower:innen abfärbt!

Vielen Dank für deine Zeit und das Interview!