Gesellschaft mit Kuchen

Verfasst von Elisabeth Felde|Veröffentlicht am 28.12.2020

Kuchentratsch – Kuchen von Oma(s)

Mit gutem Gewissen genießen: selbstgebackene Kuchen von Senioren

Wer liebt ihn nicht: Den Duft von frisch gebackenem Kuchen! Und wo schmeckt dieser am besten? Klar, bei Mama, Omi oder Opi. Jüngeren, berufstätigen Menschen fehlt leider oft die Zeit und Lust zum Backen.

Die ältere Generation, die nicht mehr berufstätig ist und dadurch mehr Zeit hat, versucht sich gerne an neuen, aber auch traditionellen Backrezepten. Der gemeinsame Kuchen am Nachmittag bedeutet für sie Geselligkeit  – doch leider fehlt diese im Seniorenalter häufig. Wieso also nicht die Menschen, die Kuchen gerne essen mit denen, die Kuchen gerne backen zusammenbringen? Genau das hat das Münchener Start-Up „Kuchentratsch“ gemacht. In einer familiären Atmosphäre backen Senioren Kuchen und Torten, die anschließend sowohl online als auch in einem zugehörigen Café verkauft werden. 
 

Kuchentratsch-Die Idee und das Team dahinter

Gegründet wurde das Münchener Start Up im Jahr 2014 mit einer zunächst einfachen Idee: Die Initiatorinnen Katherina und Katrin haben sich vorgestellt, wie schön es doch wäre, Omas leckeren, frischen Kuchen kaufen zu können. Aus der Idee ist das Unternehmen „Kuchentratsch“ geworden: Hier gibt es mittlerweile vier Festangestellte und eine Praktikantin. Hinzukommen die „Herzstücke“ des Unternehmens: Etwa dreißig backfreudige Senioren, darunter zwei männliche Bäcker, schwingen fleißig die Knethaken. Zwei "Opas" kümmern sich um die Auslieferung. Die backenden Omis und Opis stellen sich mit Namen, Foto und ihrem Lieblingskuchen auf der Website vor. Die eigene Backstube ist im Westend gelegen und seit November 2017 gibt es ein PopUp Cafe in Schwabing. Aus der einfachen Idee der beiden Mädels ist nun ein kleines Unternehmen geworden, das vielen Senioren wieder Freude im Alltag schenkt.
 

So läuft der „Arbeitstag“ ab

Ziel des Projekts bzw. des Unternehmens ist es, den Senior*innen zu ermöglichen, Teil einer sinnstiftenden Tätigkeit zu sein, indem sie ihrer Backleidenschaft nachgehen und sich gleichzeitig in Gesellschaft begeben. Soziales Engagement und ein "Job" soll das Leben für die Senior*innen lebenswerter machen.
 

Jeder Kuchen wird einzeln und von Hand gefertigt. Dabei gibt es weder feste Backvorgaben oder Zutaten, noch feste Dienstpläne. Jeder trägt sich individuell, selbstständig und flexibel in den Plan ein.


Um mitzuhelfen, muss man nicht einmal Backtalent haben: auch beim Ausliefern und Einpacken der Ware und der Gesamtorganisation können sich die Senior*innen aktiv einbringen. Das wichtigste ist bei alledem, dass eine entspannte, gemeinschaftliche Atmosphäre entsteht. Alle Mitarbeiter sollen Freude an der Sache haben – das verdiente Geld ist eher Nebensache.
 

„Social Business Start Up“

"Kuchentratsch" möchte die Gesellschaft positiv beeinflussen, einen "Social Impact" haben. Zum einen soll durch das Aufeinandertreffen und durch den Austausch verschiedener Generationen ein Wohlfühlort geschaffen werden. Die Arbeit im Team ist der Kern der Idee – alle Mitarbeiter*innen backen gemeinsam in einer Backstube. 
 

Jeder soll am Ende des Tages den Arbeitsplatz mit einem Lächeln verlassen.


Zwar steht das Backen im Vordergrund, aber auch die Gespräche, die sich nebenbei ergeben, sind sehr wichtig für die Senior*innen: Egal, ob Politik, Gesellschaft oder andere Themen: hier kann und soll offen kommuniziert werden. Mit dem StartUp soll die Arbeitswelt positiv verändert werden. Senior*innen sollen das Gefühl bekommen, trotz oder gerade wegen ihres Alters wichtig für die Gesellschaft zu sein. Mit ihren Backfähigkeiten und -Fertigkeiten können sie anderen eine große Freude bereiten – und gleichzeitig der Einsamkeit entfliehen, die leider viele im Alter betrifft. Vor Ort treffen die Back-Omis und Opis auf Gleichgesinnte. 
Im Gegensatz zu rein ehrenamtlichen, sozialen Initiativen handelt es sich bei Kuchentratsch um ein wirtschaftlich agierendes Unternehmen. Es wird nicht staatlich unterstützt. Die Einnahmen fließen direkt in das Projekt. Die Senioren, die dort tätig sind, werden in der Regel als 450€-Kraft eingestellt. So wirkt die Tätigkeit nicht nur der altersbedingten Einsamkeit sondern zusätzlich ein stückweit den meist schlechten finanziellen Gegebenheiten entgegen.
 


Bewerbungsverfahren und Organisation

Wie wird man Back Omi oder -Opi? Das Bewerbungsverfahren läuft unkompliziert ab: Interessierte Senioren können einfach anrufen. Hinterlässt man beim Telefonat einen guten Eindruck, erfolgt eine Einladung zum Probebacken.
 

Auch dort geht es nicht um den perfektesten Kuchen: Neben der Backleidenschaft sind Teamgeist und Spaß sehr wichtig.


Bei den Backzutaten wird Wert auf Regionalität (es werden hauptsächlich Bio Produkte aus der Region bezogen), Saisonalität, Nachhaltigkeit und inniges Zusammenarbeiten mit den Lieferanten gelegt. Kuchentratsch beliefert mittlerweile einige Cafés und Restaurants sowie Privatkunden. Auch online können die Kuchen bestellt werden. Im Angebot gibt es 15 Grundtorten (z.B. Karotte, Schoko-Rote-Beete, Käsekuchen, Zupfkuchen…) und weitere saisonale Angebote. Im Winter kommen noch Lebkuchen, Plätzchen und Co. hinzu.

Beide Seiten profitieren

Traurigerweise ist die Arbeitswelt heutzutage sehr auf Leistung getrimmt, Arbeit wird häufig mit Stress und Druck und weniger mit Freude und Leidenschaft verbunden. Das Unternehmen Kuchentratsch ist der Beweis dafür, dass Arbeit mit Freude und Gelassenheit möglich ist. Zudem profitieren insbesondere die Senioren, die in der Gesellschaft meistens vernachlässigt werden. Auch sie sind wichtig und haben noch viele Fähigkeiten, die im Alter weiterhin praktizierbar sind. Das Kuchenbacken ist ein Beispiel dafür. Kunden wiederum können sich über die Köstlichkeiten freuen – eine echte Win-Win-Situation!

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