Ein junger Krankenpfleger lehnt verzweifelt an einer Fensterscheibe

Verfasst von Sarah Derkaoui|Veröffentlicht am 02.06.2022

Pflegefehler erkennen: So verhältst du dich jetzt richtig!

Häufige Beispiele und der Umgang mit Fehlern

Falsche Medikamentengabe, mangelnde Hygiene, Wundliegen – die Liste der möglichen Pflegefehler ist lang. Und das Risiko für sie steigt, wenn Pflegekräfte auf Dauer in unterbesetzten Stationen und am Rande der Erschöpfung arbeiten. Denn Fehler sind menschlich, ebenso wie das anschließende Schamgefühl und die Angst vor den Konsequenzen. Was Pflegefehler sind und wie du als Pflegekraft mit ihnen umgehen solltest, liest du in diesem Artikel.

Pflegefehler: Definition und häufige Beispiele

Paragraph 115 Abs. 3 SGB XI definiert Pflegefehler als ein Tun oder Unterlassen einer Pflegeperson im Rahmen der professionellen Pflege. Weicht dieses Tun oder Unterlassen vom wissenschaftlichen Erkenntnisstand ab oder entspricht nicht dem aktuellen Standard der Pflege, wird es als Pflegefehler bezeichnet.

Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Pflegedokumentation. Denn in manchen Fällen erheben Angehörige von Pflegebedürftigen unberechtigte Vorwürfe, die mithilfe einer korrekt geführten Pflegedokumentation entkräftet werden können.

Schwerwiegende Fehler sind nicht nur der Alptraum jeder Pflegekraft, sondern können auch straf- und zivilrechtliche Folgen haben – wenn sie nachweisbar fahrlässig oder vorsätzlich verursacht wurden. Dazu weiter unten mehr.

Beispiele für häufige Pflegefehler: Welche Pflegefehler gibt es?

Wenn du schon lange in der Pflege arbeitest, weißt du: Es gibt kaum eine Pflegekraft, der noch nie ein Fehler passiert ist. Kommen Faktoren wie Personalmangel und Zeitdruck dazu, ist die Wahrscheinlichkeit für Unaufmerksamkeiten umso höher. 

Folgende Situation könnte etwa auf den meisten Stationen stattgefunden haben (und kommt dir vielleicht sogar bekannt vor). Die Pflegekraft setzt einen Bewohner auf die Toilette. Weil dieser für gewöhnlich sehr lange braucht, wird die Zeit genutzt, um etwas auf dem Computer zu dokumentieren. Plötzlich wird die Pflegekraft zu einer Arztvisite gerufen und eine Aufgabe ergibt die andere. Insgesamt vergeht fast eine Stunde, bis die Pflegekraft sich wieder an den Bewohner erinnert. Panisch sieht sie nach – er sitzt noch immer putzmunter auf der Toilette.

Hier ist noch einmal alles gut gegangen, doch es hätte auch anders ausgehen können. Wir haben weitere Beispiele für häufige Pflegefehler zusammengefasst.

  • Mangelernährung oder Austrocknung
  • Wundinfektion, ausgelöst durch mangelnde Wundversorgung 
  • Druckgeschwüre bzw. Wundliegen durch fehlende Dekubitusprophylaxe
  • Unfälle oder Stürze, die auf fehlende Beaufsichtigung sturzgefährdeter Patienten zurückzuführen sind
  • Vernachlässigungen durch unterlassene Krankheitsbeobachtung
  • Fehler bei der Medikamentengabe

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Pflegefehler entdeckt? 5 Tipps für den richtigen Umgang mit der Situation

Die falsche Dosierung von Medikamenten und Verwechslungen bei der Medikamentenverteilung sind weitere Vorfälle, von denen wohl fast jede Pflegekraft schon in ihrem Berufsleben gehört (oder sie sogar erlebt) hat. Die Frage ist: Wie verhältst du dich richtig, wenn du etwas falsch gemacht hast?

1. Verantwortung übernehmen!

Dieser erste Schritt ist der vielleicht schwerste beim Umgang mit Pflegefehlern. Es bedarf einer gehörigen Portion Stärke und Verantwortungsbewusstsein, zu den eigenen Fehlern zu stehen. Ganz wichtig: Ruhe bewahren. Und anschließend umgehend den Vorgesetzten oder die Vorgesetzte darüber informieren, was vorgefallen ist. So können ggf. wichtige Maßnahmen schnellstmöglich eingeleitet werden.

2. Pflegefehler genau dokumentieren!

Dazu gehört das Notieren aller Zeugen und Personen, die am Vorfall beteiligt waren. Außerdem sollten Fotos angefertigt werden, die die Dokumentation des Pflegefehlers erleichtern.

3. Protokoll anfertigen!

Hier gilt es, so exakt und gründlich wie möglich alles aufzuschreiben, was passiert ist. Wichtige Punkte sind dabei:

  • Was ist vorgefallen?
  • Wo und wann kam es zu dem Vorfall?
  • Wer war an dem Geschehen beteiligt?
  • Wer wurde durch das Geschehen geschädigt?
  • Zur genauen Wiedergabe aller Fakten gehört auch die Beschreibung der anschließend eingeleiteten Maßnahmen.

4. Das weitere Vorgehen mit dem Vorgesetzten besprechen!

Hat der Pflegefehler weitreichende Folgen, muss im Anschluss gemeinsam mit dem Vorgesetzten überlegt werden, wie sich der Kontakt mit den Angehörigen und evtl. der Presse gestalten soll. 

5. Haftpflichtversicherung informieren!

Wenn nötig, nimmt der Vorgesetzte Kontakt mit der Haftpflichtversicherung auf. Mit dem dort tätigen Anwalt werden weitere Schritte koordiniert.

Wer haftet für Pflegefehler?

Hat dein Herz eben angefangen zu rasen, als du dir diese 5 Tipps durchgelesen hast? Verständlich. Niemand möchte schließlich schuld daran sein, dass ein Mensch zu Schaden kommt. Gerade in der Pflege und Medizin können bereits kleine Fehler schwerwiegende Konsequenzen haben. Diese Verantwortung wiegt schwer auf den Schultern aller Pflegekräfte. Wie sieht es also mit der Haftung aus, wenn es doch einmal zu Pflegefehlern kommt?

Für die Frage, ob die pflegende Einrichtung haftbar gemacht werden kann, spielen drei Kriterien eine Rolle.

  1. Der Schaden am zum/zur Pflegenden wurde ursächlich durch den Pflegefehler herbeigeführt.
  2. Der Pflegefehler ist nachweisbar rechtswidrig. Dies gilt z.B. dann, wenn wichtige Anordnungen zur Pflege des Patienten nicht befolgt wurden. 
  3. Die Pflegekraft handelt vorsätzlich. Zu dieser Art von Pflegefehlern gehört etwa die absichtliche Gabe von zu wenig Nahrung und/oder Flüssigkeit. 

Wann kommt es zum Haftungsausschluss?

Unter bestimmten Voraussetzungen kann es zu einem Haftungsausschluss kommen. Dies ist beispielsweise dann möglich, wenn sich nachweisen lässt, dass außenstehende Personen (wie Familie und Angehörige) gegen ärztliche und pflegerische Anordnungen gehandelt haben. 

Im Klartext: Wer seinem pflegebedürftigen, diabetischen Familienmitglied regelmäßig Sahnetorte in die Pflegeeinrichtung schmuggelt, kann das Pflegepersonal nicht für dadurch entstandene negative Folgen haftbar machen. 

Welche Folgen entstehen für das Pflegepersonal?

Wird die Schuldfrage tatsächlich zu Ungunsten des Pflegepersonals entschieden, kann ein Anspruch auf Schadenersatz entstehen. Besteht eine Haftpflichtversicherung, kommt diese für den Schadenersatz in Form von Schmerzensgeld auf. 

Schwerwiegende Pflegefehler können den Entzug der Pflegeerlaubnis für die betroffene Pflegekraft oder für die Pflegeeinrichtung nach sich ziehen. 

Wo melde ich Pflegefehler?

Wenn dir ein Fehler in der Pflege passiert ist und du diesen gerne anonym melden möchtest, kannst du das Fehlerberichtssystem des Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) nutzen. Diese Datenbank wurde eingerichtet, um Pflegepersonal die Möglichkeit zu bieten, kritische Vorfälle zu melden, ohne, dass mit negativen Konsequenzen gerechnet werden muss. 

Auch von Anwälten der Haftpflichtversicherung kannst du dich übrigens zu den rechtlichen Folgen von Pflegefehlern beraten lassen. Die Haftpflichtversicherung hat das Ziel, etwaige Schadensersatzansprüche außergerichtlich zu regeln und zu regulieren. Auch für den Umgang mit Krankenkassen oder geschädigten Patient:innen bekommst du dort wertvolle Hinweise.

Fazit: Verantwortungsbewusstsein ist der Schlüssel zum Umgang mit Pflegefehlern

Lass’ uns an dieser Stelle noch einmal auf zwei unumstößliche Wahrheiten hinweisen. Erstens: Fehler sind menschlich. Und zweitens: Es braucht eine gehörige Portion Stärke, um zu eigenen Fehlern zu stehen. Gerade in der Pflege – einem Berufsfeld, indem es um die Unversehrtheit von Menschen geht.

Wir hoffen, dass dir dieser Artikel ein paar wertvolle Tipps zum Umgang mit Pflegefehlern liefern konnte und wünschen dir ganz viel Kraft und Mut für deinen Berufsalltag!