Warum hast du dich dafür entschieden, in der Pflege zu arbeiten und würdest du die Entscheidung wieder so treffen?
Das ist eine längere Geschichte. Mein Papa war eine zeitlang sehr krank. Da war ich ungefähr 12/13. Er war lange im Krankenhaus und mehrfach auf der Intensivstation. Ich war ihn dort fast täglich nach der Schule besuchen und empfand das Flair in diesem besonderen Bereich total faszinierend. Das Personal war sehr warmherzig, sehr offen für Fragen und ich durfte dort sogar bei der Anlage eines zentralen Venenkatheters bei einer Patientin zusehen. Das war der Moment, der den Grundstein für meine Faszination für den Pflegeberuf legte.
Vor allem aber auch das Wissen, dass diese Menschen andere Menschen in den vulnerabelsten Situationen ihres Lebens unterstützen, fördern und begleiten. Die Wahnsinns Fachkompetenz. Das technische Know-How. Die enge Zusammenarbeit mit den anderen Fachdisziplinen. All das ließ in mir den Entschluss reifen, dass die Pflege für mich der richtige Beruf ist. Und ich habe diesen Entschluss bisher noch nie bereut.
Du erwähnst auf Instagram, dass “die Pflege selbst aus der Passivität aussteigen und aktiv etwas dafür tun muss, dass der Beruf in seiner Wichtigkeit erkannt wird.” Warum denkst du bleibt die Pflege – trotz hoher Unzufriedenheit der Pflegekräfte – noch immer in ihrer passiven Rolle?
Ich glaube das Rollenverständnis in der Pflege ist zum Teil noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Dieses zum Teil devote, wenig aus Eigenantrieb agierende und auf die Delegation des Arztes wartende Wesen der Pflegenden ist noch weit verbreitet. Dazu kommt dann, dass wir seit über 10 Jahren schon in einer Personalmangelsituation arbeiten. Stets und ständig über unsere Kräfte hinaus, jedes Jahr mehr. Das macht natürlich irgendwann passiv: Die Reserven sind irgendwann erschöpft und niemand ist mehr bereit etwas über die eigentliche Arbeit hinaus zu machen. Und dann schleicht sich diese Denke ein, dass immer die Anderen Schuld sind. Die Politik, die Gesellschaft. Nur nicht wir selbst.
Dabei wäre die Pflege, wenn wir wie beispielsweise die Piloten, zum Großteil alle einer Gewerkschaft Mitglied wären, ein Verhandlungspartner mit ungeheurem Einfluss in Verhandlungen mit den Arbeitgebern. Wir könnten so viel für uns selbst rausholen, verbessern. Aber in der Pflege wird immer Vorleistung verlangt. Die Gewerkschaft muss immer erst für mich was tun, damit sich mein IST-Zustand verbessert, BEVOR ich für sie was tue und Mitglied werde. Und da liegt der Fehler. So funktioniert gewerkschaftliche Vertretung nicht. Dieses Verständnis muss erst noch in den Köpfen ankommen.
Natürlich ist auch die Politik im Zugzwang, keine Frage. Herr Holetschek sagte auf dem Deutschen Pflegetag eindrücklich, dass wir "sehenden Auges in eine humanitäre Katastrophe" steuern, wenn sich nicht schnell was an der Pflegesituation ändert. Und genauso ist es auch. Aber, um dies abzuwenden, bedarf es Eigenengagement der Pflegenden, sowie Handlungsbereitschaft der Politik. Beides ist bisher eher müßig zu beobachten.