Das Team des Übergabe Podcasts sitzt auf einer Treppe

Veröffentlicht am 16.12.2021

"Die Pflege muss selbst aktiv werden"

Das Team des "Übergabe Podcasts" zu Gast im Interview mit MediRocket

Ob auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn, beim Spazieren in der Mittagspause oder Zuhause beim Kochen: Mit Podcasts kannst du relevante Themen überall verfolgen. Klar, dass es mittlerweile auch einige Formate für die Pflege gibt. Ein tolles und eines der ersten Beispiele hierfür ist der “Übergabe" Podcast: Hier diskutieren fünf engagierte Pflegewissenschaftler wichtige und aktuelle Themen in der Pflege, analysieren sie regelmäßig auch mit Experten und “bringen Pflege auf den Punkt”. Heute haben wir das Team der “Übergabe” zu Gast im Interview und sprechen mit ihnen über ihren Podcast, darüber, warum sie nicht jammern möchten und erfahren, warum die Pflege für sich einstehen muss.

Der "Übergabe" Podcast im Interview mit MediRocket

 

Euren Podcast gibt es nun schon seit ein paar Jahren. In den etwa zweiwöchentlich erscheinenden Folgen behandelt ihr die unterschiedlichsten Themen in der Pflege und habt dabei immer spannende Gäste zu Besuch im Podcast. Wie entstand die Idee zu diesem Podcast eigentlich? 

Es war 2018, wo Christian die Idee zu diesem Podcast hatte. Es gab so gut wie keine Formate mit Bezug zur Pflege und damit stand eine wichtige Frage im Raum: "Warum nicht?”. Also hat Christian Mike und Alex gefragt, mit den beiden entstand dann auch die erste Folge. Franziska und Eva kamen dann dazu.

Eigentlich sollten so aktuelle Themen und Hintergründe aus dem Pflegebereich beleuchtet werden. Das hat in der ersten Episode auch gut geklappt, die Idee mit den Gäst:innen sollte nur greifen, wenn uns mal die Themen ausgehen. Es wurde dann anders: mittlerweile haben wir überwiegend Gäst:innen. 

Und damit zurück zur Idee. Die Pflege und ihre Vielfältigkeit auf dem Niveau darstellen, das es braucht, um verstehen zu können, worum es geht. Wie gesagt, es gab damals kleine Formate, die jedoch nur auf Politiker:innen, dem Personalmangel und der schlechten Bezahlung herumgeritten sind. Dass sich das schnell erschöpft, war klar, denn nach drei Folgen hat man alles erzählt. Pflege besteht allerdings aus mehr als nur wenig Personal und wenig Geld. Das wird allen klar, die uns hören.

 

Was war euer Ziel?

Die Professionalität und Vielseitigkeit von Pflege darstellen. Nicht Settingbezogen und gern mit Darstellung von Quellen. Das eröffnet uns auch die Möglichkeit, über Studien zu sprechen. Wir sind Pflegewissenschaftler:innen und sind zumeist in der Wissenschaft beschäftigt – und das ist in unseren Folgen auch einer der vielen Blickwinkel, die wir einnehmen. Durch unseren Beruf schaffen wir es, gewisse Zusammenhänge zu verstehen und zu verdeutlichen, sodass wir Themen auch mal anders aufzeigen können.

Ein weiteres Ziel war es, nicht zu jammern. An jeder Ecke wird gejammert. Pflegende stellen sich oft als Opfer dar, ohne wirklich was zu verändern. Darauf hatten wir keinen Bock. Während alle anderen jammern, wollen wir nach Lösungen suchen und aufzeigen. Durch Jammern und der ewigen Schleife, die Probleme zu benennen, wird’s nicht besser. Das ist für manche schwer zu verstehen. Macht ja auch Spaß auf anderen rumzuhacken. Blöderweise interessiert es die nicht. Konstruktivität ist eher angebracht, das bringt die Entwicklung des Berufes voran.

Während alle anderen jammern, wollen wir nach Lösungen suchen und aufzeigen.

Welche Themen behandelt ihr und wen sprecht ihr damit an?

Wir möchten gern alle ansprechen. Alle Pflegenden in allen Settings und natürlich interessierte am Thema Pflege. Nach den ersten fünf Folgen war klar: wir erreichen vermehrt Leute aus den Hochschulen. Also eben die, die irgendwie auch daran interessiert sind, nach vorne zu blicken. Die die Probleme kennen und gleichzeitig verändern wollen. 

Dabei behandeln wir alle Themen und sollten für alle relevant sein. Egal ob es um Expertenstandards geht, das Qualitätsprüfverfahren in der Langzeitpflege, Pflegende Angehörige oder Pflege von chronischen kranken Kindern. Alle Settings sind angesprochen und damit auch alle Pflegenden.

Wir behandeln allerdings auch aktuelle Themen, wie zum Beispiel den Stand der Pflegekammern. Wir verstehen es als Auftrag, zur Bildung und Aufklärung beizutragen. Was uns da entgegenschlägt malt man sich nicht aus. Die eigene Berufsgruppe zeigt, wie sehr sie daran interessiert ist, aufgeklärt zu werden. 

Podcast gerade erst endeckt?

Keine Sorge, alle Folgen der "Übergabe" gibt es auch zum Nachhören.  Zur "Übergabe"

Eure Themen scheinen bei euren Hörern jedenfalls gut anzukommen – etwa 9.000 Menschen hören euren Podcast monatlich. Dieses Jahr habt ihr sogar noch ein zweites Format, das “Pflege Update” eingeführt. Was zeichnet das neue Format aus? Was ist euer Erfolgsrezept?

Wir haben es nicht mehr geschafft, auf aktuelle Entwicklungen in der Pflegelandschaft zu reagieren. Wir haben die großen Themen beleuchtet, doch dabei ging das aktuelle Geschehen unter. Wir wollten aber daran festhalten und haben daher ein zweites Format etabliert, das genau das machen soll: die aktuellen wichtigen Entwicklungen aufgreifen und einordnen. Wir konnten mit Caroline und Clara zwei sehr gut informierte Pflegefachpersonen gewinnen, die das fabelhaft umsetzen.

Das mit dem Erfolgsrezept ist so eine Sache: Je nachdem, wen man fragt. In Kreisen, wo man Pflege weiterentwickelt und beforscht, sind wir angesehen als Medium. Schaut man sich die Gemengelage in den sozialen Medien an, sind wir eher die Außenseiter:innen. Vermutlich, weil wir keine Lust haben zu jammern und Feindbilder zu kreieren. Die Wahrheit und Richtigstellung überlassen wir gern anderen. 

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Euer Podcast ist ein kostenloses Angebot. Was treibt euch an, immer weiterzumachen?

Vermutlich der Idealismus. Wir haben schon häufig resigniert. Allerdings muss man sagen, dass wir im Team absolut wertvolle Charaktere haben, die dann Mut machen und damit auch neue Perspektiven einbringen. Viele von uns haben stets neue Ideen und somit treibt es uns vermutlich an, immer einen Schritt weiter zu gehen.
Manchmal ist es auch einfach nur Christian, der alle in den Arsch tritt, wenn keine neue Folge geplant ist. Aber die großen Dinge entstehen im Team. Man darf auch nicht außer Acht lassen, das wir nebenbei berufstätig sind und die Übergabe in der Freizeit entsteht. 

 

Was war das Highlight in eurer “Podcast-Geschichte”? 

Es gibt so viele Highlights seit dem Start, das können wir nicht aufzählen. Und sind wir mal ehrlich: das größte Highlight war ja wohl der Start der Übergabe! :)

 

Ihr habt mehrfach erwähnt, dass ihr in der “Übergabe” nicht jammern wollt und nicht – wie es aktuell häufig geschieht – die Missstände in der Pflege anprangern oder Feindbilder zeichnen möchtet. Ärgert ihr euch nicht auch manchmal auch über die aktuelle Situation der Pflege? 

Ja natürlich. Vielleicht sogar mehr als manch andere. Wir bekommen durchaus viel mit, auch aus Berichten hinter den Kulissen. Da ärgert es dann besonders, wenn man mit seinem Idealismus an Grenzen kommt.

Die Wahrheit ist jedoch: Ärgern bringt nix. Seit 30 Jahren sprechen wir über Fehlschläge, Versagen “der Politik” (wer ist das eigentlich?), schlechte Bezahlung, zu wenig Personal, schlechten Organisationsgrad. Und nun gibt es zwei Optionen: entweder man jammert und macht das einfach weitere 30 Jahre – nur dann verändert sich eben nichts – oder man versucht ein wenig konstruktiv zu agieren, um weitere Entwicklungen aufzuzeigen. Es ist ja nicht so, dass nichts passiert. Es hat sich in den letzten Jahren extrem viel getan in der Pflege. Nur eben nicht das, was alle wollen.

Man darf sich auch mal die Frage stellen, warum sich denn nichts tut. Und dann sind wir auf einer ganz anderen Ebene uns den Problemen zu nähern. Dabei sind viele Handlungsoptionen so einfach – man sieht sie nur aufgrund der ganzen Jammerei nicht: Unterstützt die Etablierung der Kammern um politisch mitzureden, tretet in Gewerkschaften ein und erstreitet euch mehr Gehalt. Lernt gut über den Beruf zu sprechen, fordert stetige Weiterbildung oder geht studieren, akzeptiert akademisch Pflegende und lasst neues Wissen in die Arbeit wohlwollend einkehren.

 

Mit eurer Einstellung versucht ihr also positiver an das Thema Pflege heranzugehen. Braucht die Pflege eurer Meinung nach mehr Optimismus?

Es geht nicht um Optimismus. Es geht darum, die Lage anzuerkennen und daraus was zu entwickeln. Die Wahrheit zu erkennen und auf dieser Basis Dinge zu diskutieren. Wir erleben es so oft, das irgendwelche Phrasen gemacht werden – sehr gern in den sozialen Medien – ohne die Hintergründe zu kennen oder Zusammenhänge mit einzubeziehen. Aber genau das ist wichtig, weil sonst Probleme geschaffen werden, die niemand braucht.

Wir gehen nicht unbedingt positiv an Pflege heran, sondern sehen sie nüchtern wie sie ist. Andere gehen negativ heran, das ist der Unterschied.

Jede Person kann das jeden Tag selbst tun. Aufhören, andere für die eigene Situation verantwortlich zu machen und selbst aktiv werden. Für das einstehen, was man sich wünscht in seinem Beruf und nicht andere machen lassen.

Wo können Pflegefachpersonen zu einem gelebten Optimismus beitragen? Wo seht ihr Potential?

Jede Person kann das jeden Tag selbst tun. Aufhören, andere für die eigene Situation verantwortlich zu machen und selbst aktiv werden. Für das einstehen, was man sich wünscht in seinem Beruf und nicht andere machen lassen. Man muss eines verstehen: Das Gesundheitssystem ist kein System der Nächstenliebe. Da steckt verdammt viel Geld drin und niemand ist daran interessiert, der größten Berufsgruppe in diesem System mehr zu geben. Wenn die Berufsgruppe das also möchte, dann muss sie das selbst für sich holen. Das funktioniert nicht mit Reden und Jammern. Politik wird nicht bei Facebook, Instagram und Twitter gemacht (und auch nicht in Podcasts).

 

Ob Pflegekammer, Gewerkschaften oder anderweitiges Engagement – ihr zeigt uns erneut, dass es wichtig ist, als Pflegekraft auch für sich einzustehen und aktiv zu werden. Gemeinsam können wir für die Zukunft der Pflege hoffentlich noch viel erreichen. 

Vielen Dank für eure Zeit und das tolle Gespräch!

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