Verfasst von Sarah Derkaoui. Veröffentlicht am 04.11.2021.
Wer Pflegepersonal vertritt, wie eine Gewerkschaft funktioniert und was sie eigentlich bringt
Welche Gewerkschaft für die Pflege gibt es eigentlich? Klar, dass man bei der Vielfalt an verschiedenen Akteuren in der Pflegebranche schon mal den Überblick verlieren kann. Der diesjährige deutsche Pflegetag am 14. Oktober hat jedenfalls wieder einmal gezeigt: Um ihre Interessen in der Politik wirksam durchsetzen zu können, brauchen Pflegende eine starke Vertretung. Wer Pflegepersonal vertritt, wie eine Gewerkschaft funktioniert – und vor allem, was sie dir als Pflegefachkraft wirklich bringt – liest du in diesem Artikel.
Gehen wir dafür zuerst einen kleinen Schritt zurück und sehen uns an, wie eine Gewerkschaft im allgemeinen Sinn definiert ist: Kurz gesagt handelt es sich um eine überbetriebliche, unabhängige Vereinigung, die Arbeitnehmer zur Vertretung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Interessen nutzen.
In der Regel setzen sich Gewerkschaften für faire Arbeitsbedingungen und -zeiten, eine angemessene Bezahlung und mehr Mitspracherecht ein. Als Arbeitnehmervertretung verhandeln sie mit Arbeitgeberverbänden, wenn es um den Abschluss überbetrieblicher Tarifverträge geht. Um ihren Forderungen gegenüber Arbeitgebern Nachdruck zu verleihen, können Gewerkschaften und ihre Mitglieder beispielsweise Boykotts und Streiks einsetzen, so wie es kürzlich beim Berliner Pflegestreik passiert ist.
Im Fokus steht dabei das Ziel der Interessenwahrung ihrer Mitglieder und in diesem Zusammenhang vor allem das Einfordern einer fairen Gewinnverteilung und besseren Entlohnung. Das klingt sinnvoll. Doch wie ist das in der Pflege?
Für Gerichtsvollzieher, Lokomotivführer, Straßenwärter, Forstleute und viele andere Berufsgruppen gibt es Einzelgewerkschaften, die sich für die Belange ihrer Mitglieder einsetzen.
Mit 1,7 Millionen Beschäftigten (davon etwa 400.000 in der ambulanten Pflege) bildet die Pflegebranche die größte Berufsgruppe im Gesundheitssektor. Doch erst seit Gründung des Bochumer Bunds im Mai 2020 gibt es eine spezielle Gewerkschaft für Pflegefachpersonal.
Mit dem Bochumer Bund verfolgt Gründer Benjamin Jäger das ambitionierte Ziel, die Interessen von dir und anderen Beschäftigten in der Pflegebranche durchsetzungsstark und öffentlichkeitswirksam zu vertreten. Das Argument: Nur, wer beruflich im Pflegesektor aktiv ist, weiß wirklich, wo der Schuh drückt.
Grundsätzlich ein richtiger Gedanke. Der allerdings einen Haken hat. Denn Macht und Einfluss einer Gewerkschaft hängen zu einem großen Teil von der Zahl ihrer Mitglieder ab. Und an dieser Stelle hat der Bochumer Bund augenscheinlich noch einen weiten Weg vor sich.
Der relativ neue Bochumer Bund ist nicht die einzige Organisation, die du als Beschäftigte*r in der Pflegebranche kennen solltest. Verdi, Bundes- und Landespflegekammern, sowie der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) erfüllen jeweils unterschiedliche Rollen für den Pflegesektor. Welche das sind, sehen wir uns im Anschluss genauer an.
Verdi ist neben der IG Metall die größte und wahrscheinlich auch bekannteste Gewerkschaft in Deutschland.
Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) widmet sich den Belangen von Pflegefachkräften. Wie der Name schon verrät, handelt es sich beim DBfK allerdings nicht um eine Gewerkschaft.
Als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind Bundes- und Landespflegekammern zuständig für die rechtlichen Aspekte des Pflegeberufs.
Oben haben wir es schon kurz angedeutet. Um es ganz einfach zu formulieren: Eine Gewerkschaft ist dazu da, deine Interessen vor deinem Arbeitgeber, der Politik und in der Gesellschaft zu vertreten. Als Mitglied einer Gewerkschaft wie dem Bochumer Bund oder Verdi kannst du außerdem eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen. Seit 2021 ist auch eine Rechtsschutzversicherung im Mitgliedsbeitrag des Bochumer Bunds enthalten.
Ein weiterer Vorteil: Offensichtlich müssen Gewerkschaftsmitglieder deutlich weniger Angst vor einer Kündigung haben, als Kollegen, die Nicht-Mitglieder sind. Das konnten Laszlo Goerke und Markus Pannenberg, zwei Forscher der Universität Trier, sogar in einer Studie nachweisen.
Für Arbeitnehmer im Allgemeinen, und Pflegekräfte wie dich im Speziellen, hat eine Gewerkschaftsmitgliedschaft einige ganz konkrete Vorteile.
Auf den ersten Blick ergeben sich also eine ganze Reihe von Vorteilen für Gewerkschaftsmitglieder. Aber auch die Nachteile wollen betrachtet werden. Sie sind allerdings überschaubar.
Wenn du den Berliner Pflegestreik im Herbst 2021 aufmerksam verfolgt hast, konntest du “live” miterleben, wie Gewerkschaften versuchen, faire Entlohnung und Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder durchzusetzen. Das, was in den Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft auf einer Seite, sowie Kliniken, Krankenhäusern und anderen Arbeitgebern in der Pflegebranche auf der anderen Seite letztendlich durchgesetzt wird, gilt automatisch auch für dich – falls du Gewerkschaftsmitglied bist.